Meine Filmhochschul-Generation hatte immer den Anspruch, dass ein TV-Film oder eine Serienfolge so gut sein muss, dass das auch im Kino laufen könnte. Fernsehen sollte besser als das deutsche Kino sein. Lebendiger, realer. Siehe Lemke, siehe die ersten Schimanskis. Auch die Redaktionen hatten diesen Anspruch. Das ist leise verschwunden. Irgendwann hat man in Besprechungen mit Senderverantwortlichen immer öfter gehört, dass diese oder jene Idee zu „filmisch“ sein könnte. […] Dass die klassische Hausfrau, „die am Bügelbrett steht“, ein Senderzitat, oder wen auch immer die Auftraggeber sich da als prototypischen Zuschauer vorstellen, nicht verwirrt werden darf. Stille im Film zum Beispiel kommt gar nicht gut an. Dann ist, in der Vorstellung der Verantwortlichen, die Hausfrau verwirrt, weil nichts mehr gesagt oder nicht mehr musiziert wird, und sie kann offenbar nicht mehr weiterbügeln. […]
Die Technik sagt, man soll quasi einen supergut verständlichen Hörfilm zur Feierabendberieselung machen. Die Programmchefs sehnen sich nach leichter Muse und Quotenhits. Die Redaktionen sind immer noch neugierig, verlangt wird von oben aber „Regelprogramm“, ein urdeutscher Begriff des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Regelprogramm bedeutet eigentlich Konfektionsware. Und gegen die habe ich nichts, im Gegenteil, Genre ist auch „Konfektion“ und kann noch, mit frei agierenden Redaktionen, zu schöner Schmuggelware werden. Aber aus den Etagen der Apparatschiks kommt auch immer heftiger die Neigung zu ideologischer Filmerei, und es häuft sich vor allem der schlechte Filmgeschmack.
Dominik Graf, sueddeutsche.de, 14.05.2025 (online)