Wallonien ist ein Sonderfall. Dort gibt es einen perfekten Nährboden für die extreme Rechte, die Arbeitslosenquote war im Jahr 2020 beispielsweise doppelt so hoch wie in Flandern. Und trotz dieses Nährbodens konnte die extreme Rechte dort bislang nicht Fuß fassen, weil man einen sogenannten „Cordon sanitaire“, eine Art mediale und politische Brandmauer, geschaffen hat.
Die Idee dahinter ist, dass man rechtsextreme Positionen von der Gesellschaft fernhält und damit verhindert, dass sie sich ausbreiten. Das funktioniert auf zwei Ebenen: Einerseits arbeiten Parteien nicht mit der extremen Rechten zusammen, andererseits haben Medien vereinbart, verfassungsfeindlichen und menschenrechtsverachtenden Gruppen keine direkte Plattform zu bieten. Die Medienschaffenden in der Region verstehen sich als Wächter der Demokratie. Sie sagen: Unser Job ist es zu bellen – und wenn nötig, auch zu beißen. […]
Das Ziel ist es, extremistischen Parteien den Zugang zu Medien zu verwehren, indem sie konsequent isoliert und nur dann zitiert werden, wenn ihre Äußerungen kontextualisiert und antidemokratische Inhalte kenntlich gemacht werden können. Reden werden etwa nie direkt übertragen, sondern immer zusammengefasst. Live-Interviews und Einladungen in Talkshows sind tabu. Das geht zurück auf eine Entscheidung des französischsprachigen öffentlich-rechtlichen Senders RTBF. Er verweigerte dem Front National Belge, einer Kopie des französischen Front National, vor den Wahlen 1994 Auftritte, da er die Partei als rassistisch und xenophob bewertete. Das führte zu einigen Klagen, weshalb RTBF ein Prozedere einführte, um die Veröffentlichungen von Parteien zu analysieren.
1999 wurde dann gerichtlich entschieden, dass der Sender das Recht hat, Sendezeit für jene Parteien zu verweigern, die er als undemokratisch ansieht. Der „cordon sanitaire médiatique“ wurde formalisiert und für Wahlkampagnen bindend.
Léonie de Jonge, Übermedien, 05.06.2025 (online)