Das Interview echt, die Autorin dennoch gefeuert, wie passt das zusammen? Die Antwort auf diese Frage führt in die Untiefen des Filmjournalismus und die Umstände, unter denen heute oft Interviews mit Stars stattfinden. Elisabeth Sereda hat, so soll sie es der Redaktion geschildert haben, Clint Eastwood über die Jahre stolze 18 Mal in sogenannten „Round Tables“ gesprochen. Das sind Gruppeninterviews, bei denen gleich mehrere Journalisten dem Star zugeführt werden, um mit derselben Zeit mehr Presse-Texte zu generieren. Die großen Hollywoodstudios und Film-PR-Agenturen wie DDA und Premier stopfen in diese Gruppeninterviews von Jahr zu Jahr mehr Leute hinein, manchmal sind das fast schon eher kleine Pressekonferenzen. Was sie in jedem Fall nicht sind: der Raum für ein vernünftiges Einzelgespräch.
Das spricht nicht dagegen, solche Gruppengespräche wahrzunehmen, zum Beispiel, um für einen Text jenseits der reinen Interviewform ein paar O-Töne einzufangen. Sereda hat aber nun, so schildert es ihr Chefredakteur, Material aus mehreren, teils Jahre zurückliegenden „Round Table“-Interviews zu einem Frage-Antwort-Stück kompiliert, das in seiner Form dem Leser suggeriert, dass es sich um ein völlig neues, im Einzelgespräch entstandenes Interview handelt. Was auch erklären würde, warum Clint Eastwood sich wundert, einer österreichischen Zeitung ein Interview gegeben zu haben.
David Steinitz, sueddeutsche.de, 03.06.2025 (online)