Transformative Kommunikationswissenschaft hat den Anspruch, aktiv zu einer Nachhaltigkeitswende in Wirtschaft und Gesellschaft beizutragen. Dieser Artikel beschäftigt sich mit den unintendierten Nebenfolgen entsprechender Unternehmungen, indem er die Resonanz auf die Studie „Reklame für Klimakiller – Wie Fernseh und YouTube-Werbung den Medienstaatsvertrag verletzt“ (Krüger et al., 2024) in den etablierten Medien und der rechten Gegenöffentlichkeit rekonstruiert und einen möglichen Beitrag zum gegenwärtigen klimapolitischen Backlash kritisch reflektiert.
Indem die Studie Werbung für emissionsstarke Güter als normverletzend kritisierte und entsprechende Beschränkungen als eine von mehreren Optionen für die Medienpolitik vorschlug, lud sie auch den Konsum dieser Güter moralisch auf und weckte teilweise offenbar Ängste vor einem kommenden Verbot der Güter selbst. Publizistische und politische Akteur:innen aufseiten der Rechten spitzten dies zu einem drohenden Verlust individueller Freiheit und Selbstentfaltung zu und brandmarkten die Idee der Postwachstumsgesellschaft gar als „genozidal“. Dass entsprechende „Polarisierungsunternehmer“ den „Triggerpunkt“ Klimaschutz zum eigenen Vorteil bespielen und öffentlich sichtbare Studien dazu angreifen, ist wohl nicht zu verhindern. Jedoch stellt sich die Frage, ob ein weniger aktivistisches Wording im Titel sowie eine für konkurrierende Wertepräferenzen offenere Liste an Policy-Vorschlägen zu weniger Emotionalisierung hätte führen können – zum Preis eines abgesenkten Drucks auf Entscheidungsträger:innen in der Medien- und Klimapolitik. […]
Dass progressive und öffentlich wirksame Wissenschaft aber einen Wertewandel-Rollback befördern und am Ende vielleicht sogar zu Schäden für Demokratie und Nachhaltigkeit führen kann: Diese Möglichkeit ist im Meta-Diskurs noch nicht durchdekliniert worden. […]
Jedoch hätten wir tatsächlich depolarisierender kommunizieren können – um den Preis, den Druck auf politische Entscheider:innen zu senken. Wir hätten im Titel den aktivistischen Begriff „Klimakiller“ (der im Text der Studie übrigens nicht vorkommt) vermeiden können, was den Eindruck verringert hätte, dass hier politische und wissenschaftliche Aussagen miteinander vermischt werden. Und wir hätten die Implikationen unserer Befunde („Es besteht Regulierungsbedarf“ lautete eine Zwischenüberschrift im Fazit unseres Papiers) weniger dringend, zwingend-apodiktisch bzw. epistokratisch (Post & Bienzeisler, 2024) formulieren können. Denn tatsächlich gibt es neben den von uns aufgezeigten Optionen für eine Konkretisierung und Durchsetzung der schwammigen Umweltschutz-Norm im Medienstaatsvertrag die Option, alles so weiterlaufen zu lassen wie bisher, und auch die Option, die Norm abzuschaffen, um wenigstens den Widerspruch zur Werbepraxis zu beseitigen.
Uwe Krüger, Zeitschrift für Medien- und Kommunikationsforschung Medien Journal, 2025. Jg. 49, Nr. 2, S. 124-140 (online)