Ein besonderes Augenmerk sollte zudem, sechstens, auf das Verhältnis von Politik und Wissenschaft gelegt werden. Dieses Verhältnis ist nicht nur durch die Pandemie, sondern auch durch andere Herausforderungen wie den Klimawandel, in Schieflage geraten. Die Fridays-for-Future-Parole „Follow the science“, suggeriert, dass die Wissenschaft schon wisse, was für die Menschheit gut ist. Das aber hat zu einer Abwälzung der Verantwortung der Politik auf die Wissenschaft geführt. Ein zukunftsfähiges Verhältnis zwischen Politik und Wissenschaft muss sich an den Grundsätzen reflektierter wissenschaftlicher Politikberatung orientieren. Während der Pandemie gaben wissenschaftliche Institutionen wie die Leopoldina zwar virologisch und epidemiologisch fundierte Stellungnahmen ab, die jedoch keine entwicklungspsychologische und bildungspolitische Expertise beinhalteten. Somit bereiteten sie den Irrweg für pauschale Kita- und Schulschließungen. Das Fehlen sozialwissenschaftlicher, pädagogischer und psychologischer Expertise aus einigen Beratungsgremien war deshalb ein schwerer strategischer Fehler.
Julian Nida-Rümelin, sueddeutsche.de, 27.07.2025 (online)